July 29, 2013

Shadowrun Returns - REVIEW

Ich habe Shadowrun Returns nicht gebackt. Ich habe es vorbestellt. Wieso? Weil ich denke, dass eine Vorbestellung ehrlicher ist als backen. Für beide Seiten!

  1. Ich backe nicht weil ich vielleicht dieses oder jenes Spiel spielen will. Ich backe, um es definitiv zu spielen!
  2. Das gleiche gilt für den Entwickler. Dieser macht doch das Spiel, um es fertigzustellen, und nicht, um es vielleicht fertigzustellen.
  3. Nur bei der Vorbestellung wird das Risiko nicht auf den Konsumenten abgelagert. Denn als Vorbesteller kann ich mein Geld zurückfordern, wenn das Spiel nichts wird.

Auf Kickstarter überbieten sich mittlerweile die meisten Kampagnen, dass mir schlecht wird. Spiele werden in ihre Einzelbestandteile zerlegt, um die verschiedenen Backer-Level zu rechtfertigen. Mir hat DLC schon den letzten Nerv geraubt, ein Spiel nicht "vollständig besitzen" zu können und nun kommt diese tolle INDIE Szene und zerstückelt ihre eigenen Spiele?

Ach lassen wir das. Zurück zu Shadowrun.

Angefangen hat alles vor zwei Jahrzehnten, als ein Freund von mir dieses Buch (Shadowrun Second Edition) in der Hand hatte. Auf dem Cover waren Elfen und Orks mit Kanonen zu sehen. Elfen und Orks kannte ich damals nur vom Tolkien Gelumpe. Aber ein Bladerunner kombiniert mit Magie und Cyberpunks ... ich war hin und weg.



Meistens spielte ich einen Rigger. Das Kampfsystem war verglichen mit Rolemaster oder DSA nicht sonderlich komplex, ging aber daher leicht von der Hand und man konnte sich besser auf dass eigentliche Rollen spielen konzentrieren, mit Freunden die Story vorantreiben, Dialoge führen und Entscheidungen treffen!

Kommen wir zu Shadowrun Returns (SRR). Das Spiel hat eine sehr schöne 2D Optik. Man kann sogar die perspektivische Verschiebung einstellen, was bei mir wirklich einen kleinen Wow-Effekt erzeugte. Die Grafikeffekte und Animationen sind auf das Nötigste begrenzt. Charaktere können nur laufen, in Deckung gehen oder schießen. Sitzende NPCs können nicht aufstehen und stehende können sich nicht hinsetzen.
Es gibt kein Intro, dafür aber ein sehr schön gemachtes Shadowrun Primer PDF über die Welt von Shadowrun. Dieses sollte man sich vor dem Spielen unbedingt durchlesen, da erst durch das Wissen um diverse Dinge die Immersion entsteht. Warum gibt es Magie, warum haben die Megacorps die Staaten ersetzt? Was sind die Lone Star und was hat es mit Decken auf sich. Erst durch die Weltbeschreibung und die Fantasie erwacht die Welt zum Leben.
Moderne RPGs verlangen so etwas nicht mehr von ihren Spielern. Anstatt einen Text anzuzeigen und den Spieler seine Fantasie spielen zu lassen, wird einem eine InGame-Sequenz gezeigt. Früher war es die eigene Fantasie, die die Dinge "groß" und "toll" gemacht hat. Heute ist es eben "nur" die Fantasie der Entwickler oder Grafiker. Viele "alte" Spieler vermissen eben diesen Anspruch und genau diese Fantasie ist nötig, um SRR genießen zu können.
Die Story von Shadowrun wird in Ladebildschirmen und Dialogen vorangetrieben. Diese sind sehr gut geschrieben (wo bleibt die Übersetzung ins Deutsch?) und die Antworten sind variantenreich. Wer "richtig" geskilled hat, kann ab und zu diese Fähigkeiten einsetzen. Auswirkungen bei Dialogen sind nur minimal. Ab und zu geht man so einem Kampf aus dem Weg oder man findet schneller ein Questitem. Mehr ist mir aber nicht aufgefallen. Dass Questitems im Questlog liegen und nicht im Inventar ist ein Pluspunkt. Es nervte mich schon immer, wenn man Questitems sinnlos im Inventar herumschieben musste. Das Interface ist im Allgemeinen recht aufgeräumt und passt gut zum Grafikstil. Was man von anderen großen Rollenspielen (hüstel Skyrim) nicht gerade behaupten kann.


Charakterklassen, Skillsystem und Rassen sind wie erwartet gut eingebaut. Am Anfang erstellt man seinen Charackter aus einer Liste von vordefinierten Klassen oder man versucht sich selbst an einer. Ich habe mich natürlich für den Rigger entschieden. Ein paar Farben verändert, ein paar Skills gepusht, einen Namen vergeben und schon gehts los in die Schatten.
Man beginnt das Spiel in der eigenen heruntergekommenen Wohnung. Leider lässt sich hier nicht viel mit der Umwelt interagieren. Das Klo, das Bett, der Computer ... alles ist schön anzusehen, nur leider statisch. Ich kann auch nicht einfach meine Wohnung verlassen. So erhalte ich nach einiger Zeit den Anruf eines alten Freundes und die Story nimmt seinen Lauf. Die Story hat einige Wendungen und ab und zu dachte ich schon das Ende erreicht zu haben. Aber ich lag falsch. Schön, dass mir sowas noch passiert.
Das Kampfsystem ist vergleichbar mit XCom: Enemy Unknown und viele Reviews beziehen sich auch auf den Vergleich. Dabei kommt XCom meistens besser weg als SRR. Das verstehe ich nicht so ganz. SRR bietet viel mehr Möglichkeiten einen Kampf zu gewinnen als XCom. Magie, Matrix, Drohnen, Fernkampf, Nachkampf, Beschwörungen und Dialoge bieten vielfältigere Möglichkeiten. Die Kämpfe sind nicht so actionreich inzeniert, erfüllen aber vollkommen ihren Zweck. Besiegte Gegner lassen kein Loot fallen. Komisch wenn man es mit einem RPG vergleicht, aber in Ordnung wenn man es mit XCom vergleicht. Es gibt aber auch Gamedesign-Gründe dafür. Im Shadowrun Pen&Paper gibt es eigentlich kaum Loot. Jede Waffe, jedes Auto und jedes Deck ist mit einer Nummer versehen und kann verfolgt werden. Desweiteren gibt es Implantate, sodas sich die Waffen nur vom Inhaber nutzen lassen.
Es fällt mir auch noch ein weiterer Grund ein. Das Balancing...


Es gibt vier Schwierigkeitsgrade und ich habe gleich auf "hard" angefangen, da ich im Forum las, dass es auf "normal" sehr leicht sein soll. Im gesamten Spiel musste ich drei Mal einen RUN neu starten. Danach klappte er dann aber auch perfekt. Das ist schön, wenn man aus seinen Fehlern lernen kann.

Der Wiederspielwert ist sehr hoch. Durch den Editor mit dem sich komplette Kampagnen erstellen lassen, durch die Steam-Workshop Integration um Kampagnen und Mods zu laden oder durch die unterschiedlichen Charakterklassen und Rassen. Nebenbei sei hier auf die sehr ambitionierte Shadowrun Identity Kampagne verwiesen.

Es gibt natürlich auch einige Kritikpunkte. Zum Einen wäre hier das strikte Springen von Szene zu Szene. Nach einem Run würde man sich sicher gerne neu ausrüsten. Dies ist aber oft nicht möglich, weil das Spiel einen zwingt, gleich einen neuen Run durchzuführen. Mein Tipp: Vorher beim Händler soviel Med-Packs kaufen wie möglich und in den Stash im Untergeschoss der Bar legen. Vor jedem Run wird der Stash angezeigt und man kann Ausrüstungsgegenstände austauschen. Dies ist sozusagen das Maximum was geht :-(.

Die oben genannte Bar könnte doch auch der HUB sein, von dem aus die Runs gestartet werden. Dies ist auch meist der Fall, aber leider nicht immer. Als HUB hätten die Entwickler die gesamte Stadtszene nehmen können, wie es in den Anfangsszenen der Fall ist. Dies hätte zu mehr Freiheitsgefühl geführt und Sie hätte mehr optionale Runs (Quests) einbauen können. Vielleicht hätte man so auch die von Nutzern erstellten Kampagnen ins Spiel integrieren können. Ach was wäre das für ein Fest ... immer neue Runs direkt aus dem Spiel heraus mit dem geliebten Chummer starten. Dem ist leider nicht so!

Back to Reality.
Kurze Zusammenfassung:
PRO
- erwachsene Story (passend für Shadowrun)
- Kampf macht Spaß (ähnlich XCom)
- Kampf ist später durchaus anspruchsvoll (auf "hard")
- Kämpfe bieten, es meiner Ansicht nach sogar mehr Möglichkeiten als in XCom (Schusswaffen, Matrix, Magie, Drohnen, Beschwören von Geistern, etc.)
- Dialoge gut geschrieben (auch Fähigkeiten können eingesetzt werden)
- gezeichnete Grafik ++
- Fog of War ist gut implementiert (man kann nicht in Nebenräume sehen; man muss die Tür öffnen/schließen)
- Interface gefällt
- 6 spielbare Klassen, mit jeder kann man die Kampagne spielen (Dialogoptionen und Kämpfe spielen sich dann verschieden)
CONS
- Iso Perspektive und Übersicht raubt Atmosphäre
- zu wenig Focus auf Cyberimplantate
- zu starres Ausrüsten mit Waffen und Equip
- die Kampagne ist leider viel zu starr und linear (manchmal will man vor einem "Run" noch zum Händler - geht aber nicht, weil das Programm gleich die Kampfszene lädt)
- manchmal bleibt das Game nach einem Kampf im "Tactical Mode", was bedeutet, dass man jedes Partymitglied einzeln bewegen muss (ätzend!)
- Decker können nur in spezifischen, vordefinierten Szenen sinnvoll eingesetzt werden
- zu schnelles Skillen (wahrscheinlich wegen der kurzen Kampagne)
- zu wenig Animationen (siehe sitzenden Typ mit Arm)
- zu wenig "Nebenruns"
- wenn Drohnen im Kampf zerstört werden, sind Sie nach dem Kampf wieder da (WTF?)
- die Unterteilung in körperlichen und geistigen Schaden ist nicht Umgesetzt
NEUTRAL
- ein Gesprächsjournal fehlt mir sehr
- die Kampagne ist (zu) kurz
- es gibt kein Intro :(
- es gibt keine Sprachausgabe (oder die Möglichkeit im Editor dazu)
- keine Erläuterungen zur Welt und zum Regelsystem im Spiel
WÜNSCHE/VERBESSERUNGEN
- die Namen des NPCs sollte beim Mouseover über deren Köpfen angezeigt werden
- Runner Teams, anheuern und Runs mit dem selben Team, Team Interaktion
- Stadt/Kneipe oder Hub von wo aus man als Runner zu neuen Kampagnen starten kann (kann ja auch Levelabhängig sein)

FAZIT
Shadowrun Returns hat mir gefallen! Es ist ungefähr das Spiel geworden, welches ich erwartet habe.

Ich sehe das Spiel mehr als ein taktisches Strategiespiel àla XCom denn als ein vollwertiges RPG.

Wenn man es mit XCom: Enemy Unknown vergleicht, dann schneidet es bei mir besser ab. Es hat eine wirklich komplexe und coole Story, ein flexibleres Kampfsystem und richtige Charaktere mit Background und RPG Elementen. Die Präsentation kann zwar nicht mit XCom mithalten, ist aber hübsch und zweckmäßig.

Das große Plus ist der Editor. Wenn man Shadowrun Returns als TOOLKIT für die Community versteht, mit dem RUNS erstellt werden, dann sehen die investierten 18 Euro gleich ganz anders aus. Ich bin mir ganz sicher, es werden noch viele Kampagnen entstehen, die spielenswert sind!

Meiner Ansicht nach haben die Entwickler den Fehler begangen, Shadowrun Returns als Spiel und nicht als TOOLKIT zu verkaufen.

Wieso haben die Entwickler keinen inGame "HUB" ins Spiel integriert, von dem aus der Runner je nach Lust und Laune Kampagnen (auch User generated) angehen kann? Oder eine Landkarte von der aus man seine Runs begehen kann? Halt irgendetwas, das einen übergeordneten Zusammenhang vorgaukelt.

Naja, vielleicht nächstes Mal?

Update: Weil die Frage kam, das Speichersystem ist für mich in Ordnung. In Zeiten wo es Hibernate gibt, kann man den Rechner einfach schlafen legen oder per Taskmanager auf den Desktop wechseln. Anders machen das Smartphones ja auch nicht.

SiENcE

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